DIALOG IM MUSEUM #12: Die Salons der Republik – Räume für Debatten
Am vergangenen Dienstag fand im Deutschen Architekturmuseum (DAM) die offiziell 12. Veranstaltung der Diskussionsreihe DIALOG IM MUSEUM statt. Unter dem Titel "Die Salons der Republik" widmete sich der Diskussionsabend ganz den Ideen der gleichnamigen Ausstellung, die am 17. Juni 2021 unter anderem von Prof. Dr. Kristina Sinemus, Hessische Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung, David Dilmaghani, Leiter des Dezernatsbüros Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt, und der Präsidentin der Hochschule RheinMain, Prof. Dr. Eva Waller eröffnet wurde.
Mit einem Grußwort eröffnete Prof. Dr. Waller an diesem Abend die Bühne für Prof. Holger Kleine, Professor für Künstlerisch-Konzeptionelles Entwerfen an der Hochschule RheinMain und Initiator der mit Unterstützung durch das Projekt IMPACT RheinMain im DAM gezeigten Ausstellung. Im Dialog mit Prof. Dr. Nicole Deitelhoff, Leiterin des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), diskutierte Prof. Kleine die Bedeutung neuer Räume für Debatten als eine Herausforderung, die die Demokratie an die Architektur stellt. Welchen Einfluss digitale Räume auf die Debattenkultur haben, diskutierten im Anschluss Dr. Meron Mendel von der Bildungsstätte Anne Frank und Prof. Dr. Jeanette Hofmann, Principal Investigator der Forschungsgruppe "Demokratie und Digitalisierung" am Weizenbaum Institut für die vernetzte Gesellschaft.
Gebaute Räume für Debatten
Prof. Dr. Deitelhoff, die selbst aktiv an der Schaffung neuer Räume demokratischen Dialogs beteiligt ist, sei es als Mitinitiatorin des Netzwerks Paulskirche zur Stärkung zivilgesellschaftlicher Beteiligung oder als Beteiligte im Projekt DemokratieWagen, das ein mobiles Bürgerforum in Form eines umgebauten Linienbusses bereitstellt, diagnostiziert eine überschwängliche Dramatisierung in aktuellen Debatten einerseits und ein verbreitetes Gefühl, sich nicht mehr frei äußern zu können, andererseits. Prof. Dr. Deitelhoff führt diesen Umstand nicht nur auf eine Unsicherheit in Zeiten von Krisen und gesellschaftlichen Umbrüchen zurück, auch der gebaute Raum trage seinen Teil dazu bei: "Wir haben den öffentlichen Raum so veröden lassen, dass es den unterschiedlichen Milieus immer leichter fällt sich aus dem Weg zu gehen."
In Zeiten, in denen die Kommunikationsdichte zwischen Milieus abnehme, sieht Prof. Dr. Deitelhoff die Salons als Brücken zwischen Parlament und Bevölkerung, um die Meinungsbildung und Willensbildung der Bevölkerung anzuregen. Prof. Kleine betonte, dass es dafür einer Vielfalt an Räumen ganz unterschiedlicher Gestalt bedürfe, die nicht nur der Vielzahl unterschiedlicher Gesprächsformen gerecht werden, sondern auch dem Wunsch nach Demokratie selbst: "Diese Vielfalt an Räumen haben wir noch nicht in dem Maße, wie es unser demokratisches Bewusstsein verdient."
Am Ende stand die Erkenntnis, dass eine lebhafte Debatte sicher nicht durch unpassende Raumgestaltung verhindert werden könne, dass eine eingeschlafene Debattenkultur aber durchaus von einer förderlichen Raumgestaltung reanimiert werden könne. Der Begriff Salon, so Prof. Kleine, sei dafür nur ein Vorschlag, der sich durch andere offene Raumformen ersetzen ließe, die jenseits der kulturellen Spezifität der Salonkultur lägen.
Debattenkultur in digitalen Räumen
Dass analoge und digitale Debattenräume sich oftmals kaum voneinander trennen und umso besser verbinden lassen, das bewies die zweite Diskussionsrunde ganz praktisch. Denn hier war Prof. Dr. Hofmann aus Berlin ihrem Diskussionspartner Dr. Mendel und dem Moderator Prof. Dr. Thomas Heimer vor Ort im DAM zugeschaltet. Zwar hätten, so Prof. Dr. Hofmann, zu Beginn der populären Internetnutzung durchaus andere Sitten und Regeln im Netz als in der analogen Welt geherrscht, mit Aufkommen der Sozialen Medien erschiene ein solcher Unterschied jüngeren Menschen jedoch zunehmend artifiziell. Aufgrund beispielsweise des hohen Mobilisierungspotenzials im Netz und der Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten zusammenzuschließen, die über jene der analogen Welt hinausgehe, möchte Dr. Mendel jedoch an der Unterscheidung festhalten. Im weiteren Verlauf entspann sich eine lebhafte Diskussion mit durchaus konträren Positionen.
Wo Prof. Dr. Hofmann die Metapher des Raums für das Digitale infrage stellt und lieber von einem Medium spricht, das unsere Debatten, unser Denken und Handeln strukturiert, betont Dr. Mendel gerade die Architektur der Plattformen, die keineswegs neutral, sondern auf Konsum und lange Verweildauer ausgelegt seien. Dr. Mendels Eindruck, dass die Gestaltung der Algorithmen also zum Konsum von immer gleichen und immer radikaleren Meinungen anrege, widerspricht Prof. Dr. Hofmann, dass es für das sogenannte Phänomen der Echokammer trotz vielerlei Studien keine stichhaltigen Belege gebe.
Einig waren sich die Diskutierenden darin, dass es einer Regulierung von Äußerungen im Netz bedürfe, dass mehr gegen Hassrede, die Verunglimpfung von Minderheiten und Frauen getan werden müsse und dass der Umgang mit Falschmeldungen nicht durch eine Wahrheitspolizei im Netz zu erreichen sei.
Die gesamte Diskussion ist auf dem YouTube-Kanal des DAM als Aufzeichnung verfügbar. Die Ausstellung "Die Salons der Republik" ist noch bis zum 15. Juli im DAM zu sehen. Ein Katalog mit den gesammelten Entwürfen der Studierenden nebst begleitenden und erweiternden Essays ist im JOVIS-Verlag erschienen und ist im Museumsshop des DAM zum Vorzugspreis erhältlich.
Aufzeichnung der Veranstaltung
Aufzeichnung der Ausstellungsvernissage
Weitere Begleitveranstaltung:
Dienstag, 13. Juli 2021, ab 19.00h, Straße, Internet, Salon – (k)ein Raum für Debatten, online
Anmeldung unter: www.hs-rm.de/dialog-im-museum