DIALOG IM MUSEUM #3: Künstliche Intelligenz und Smart Cities
Welche Auswirkungen haben Entwicklungen in der künstlichen Intelligenz und Big Data für den urbanen Raum und wie sollen demokratische Gesellschaften auf die damit einhergehenden Gefahren reagieren? Dieser Frage widmete sich die dritte Veranstaltung der Reihe DIALOG IM MUSEUM am gestrigen Donnerstag. Die Veranstaltungsreihe ist Teil des Projekts IMPACT RheinMain und ein Kooperationsprojekt mit dem Deutschen Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt.
Staatliches Datensammeln – Überwachung oder Garant für Datenschutz?
Peter Cachola Schmal, leitender Direktor des DAM, begrüßte die über 100 Besucherinnen und Besucher des Symposiums im Auditorium des Hauses. Er betonte auch die hohe Relevanz der Beschäftigung mit dem chinesischen Überwachungsstaat, da dieser als Anschauungsobjekt ein idealer Ausgangpunkt für die Diskussion über Entwicklungspfade von Smart Citys sei.
In seinem Eröffnungsbeitrag gab Kai Strittmatter, Autor der „Neuerfindung der Diktatur“ und langjähriger Chinakorrespondent der Süddeutschen Zeitung, dann einen Einblick in das Social Scoring-System der chinesischen Regierung. Zielsetzung des Systems ist, individuelles (Sozial-)Verhalten der Bürgerinnen und Bürger durch Anreize im Sinne politischer Vorgaben zu steuern und abweichendes Verhalten zu sanktionieren. In den Worten von Strittmatter geht es hier „um die totale Kontrolle über die Gesellschaft und damit die Normierung des Menschen“. George Orwell würde in China dementsprechend auch nicht als Warnung, sondern als „Gebrauchsanweisung“ für die Umsetzung staatlicher Überwachung gelesen.
Dass demokratische Staaten aber nicht per se ein Garant für effektive Gesetzgebung in Sachen Datenschutz sind, skizzierte Prof. Ralph Schröder vom Oxford Internet Institute der University of Oxford in seinem Vortrag. So sammelt die Regierung in den USA zwar nur in sehr begrenztem Umfang selbst Daten über ihre Bürgerinnen und Bürger, setzt der Datensammelwut der großen Internetkonzerne aber auch kaum regulatorische Grenzen. Als Gegenbeispiel gilt hier der schwedische Staat, der zwar auch umfassend Daten erhebt, gleichzeitig aber ein hohes Vertrauen der Bevölkerung genießt. In China dagegen gibt es ein solches Grundvertrauen nicht – dieses soll auch durch das Social Scoring-System als vermeintlich objektive Instanz geschaffen werden.
Eine Bank für Daten
Um den Einfluss der Bürgerinnen und Bürger auf den Umgang mit ihren Nutzerdaten bei gleichzeitig hohem Schutz der Privatsphäre sicherstellen zu können, skizziert Prof. Thomas Heimer, Hochschule RheinMain, in seinem Vortrag das Modell einer "Bank für Daten". Diese dient als Mittler zwischen den Datenbereitstellern wie Konsumenten und Konsumentinnen einerseits und Datenaneignern (Unternehmen oder Staat) andererseits. Über ein Konto bei der "Bank für Daten" würde jeder, der Daten generiert, nicht nur einen fairen Preis und den Grad der gewünschten Preisgabe für diese erhalten, sondern müsste sich auch nicht selbst mit den technischen Einzelheiten befassen, die im Alltag heute noch für viele als unüberwindbare Hürde erscheinen.
Denn dass auch die Konsumenten und Konsumentinnen – neben allen Anforderungen der Datensicherung zum Beispiel über Standardisierung durch Unternehmen – selbst für Sicherheit ihrer Daten zuständig sind und diese Verantwortung nicht komplett auf andere Akteure abwälzen können, war die Kernthese von Wolfgang Niedzilla, Geschäftsführer VDE Prüf- und Zertifizierungsinstitut GmbH. Bei Themen wie sicheren Passwörtern, Softwareupdates oder Verschlüsselung sind oftmals noch die Nutzer oder Nutzerinnen schwächste Glied in der Kette.
Smart Citys als Labor für technologische Veränderungen
Linus Neumann, Sprecher des Chaos Computer Clubs, griff diesen Aspekt auf und verwies in seinem Vortrag auf den Unterschied zwischen IT-Sicherheit und Datenschutz. Während es für Ersteres größtenteils technische Lösungen gibt, sind beim Datenschutz zwar in letzter Zeit Fortschritte erzielt worden, diese kommen aus seiner Sicht aber zu spät. Denn mittlerweile haben große Internetkonzerne wie Facebook bereits eine so große Marktmacht, dass sie auch durch Instrumente wie die DSGVO nicht mehr gezähmt werden können.
Für Alain Thierstein, Professor für Raumentwicklung an der TU München, ist die zunehmende Urbanisierung eine im Sozialen und Architektonischen sichtbare Manifestation technologischer Veränderungen. Als Argument für diese These nannte er die Veränderungen in der Ausgestaltung des öffentlichen Raumes. So experimentieren etwa einige Großstädte bereits mit Autonomen Fahren und passen die Straßen entsprechend an – z.B. durch die Vernetzung von Ampelanlagen.