MOBILITÄT IM WANDEL #12: Neue Mobilität und historische Innenstädte
Am gestrigen Mittwoch, 7. Juli 2021, ging die Veranstaltungsreihe Mobilität im Wandel unter dem Thema "Neue Mobilität und historische Innenstädte – Was bedeutet die Verkehrswende für historische Stadtbilder?" in die zwölfte Runde. Prof. Dr. André Bruns, Professor für Mobilitätsmanagement und Verkehrsplanung an der Hochschule RheinMain, begrüßte die knapp 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer und wies auf SRL (Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung e. V.) als Kooperationspartner der Veranstaltung hin. Andrej Müller stellte die verschiedenen Aktivitäten der SLR dar, die unter anderem bei Gesetzesvorhaben mitwirkt, Fort- und Weiterbildungen anbietet und als Partner für Hochschulen im Rahmen von Forschungsvorhaben agiert.
Umverteilung des Straßenraums notwendig
In seinem Vortrag skizzierte Prof. Bruns die Idealvorstellungen der Verkehrswende und kontrastierte diese mit dem aktuellen Umsetzungsstand. Da der Verkehrssektor in Deutschland seit 1990 keinen Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen geleistet habe, sei es zukünftig wichtig, Verkehr zu vermeiden, verträglich abzuwickeln sowie, als wichtigster Punkt, zu verlagern. Es sei also eine Umorganisation und Umverteilung des Straßenraums notwendig, als dessen Ziel sich der Modal Split hin zu umweltverträglicheren Verkehrsmitteln verändert. Zwar könne die E-Mobilität hier helfen, allerdings seien dazu ausreichend vorhandene Ladesäulen wichtig – diese könnten beispielsweise in Lichtmasten integriert werden. Auch könnten sogenannte Mobilstationen, also die Bündelung mehrerer Verkehrsmittel an einem Ort, eine Möglichkeit sein.
Historische Strukturen bei der Verkehrsplanung beachten
Prof. Dr. Michael Kloos, Professor für Sicherung und nachhaltige Entwicklung historischer Stadt- und Kulturlandschaften an der Hochschule RheinMain, war der zweite Vortragende des Abends. Er beleuchtete in seinem Vortrag die Bedeutung von historischen Strukturen auf und die Wichtigkeit der gestalterischen Perspektive für die Verkehrsplanung. Dies skizzierte er am Beispiel des Bahnhofs in Amsterdam, wo er vor 20 Jahren Fahrradgaragen mitgestaltete, die den Bahnhofsvorplatz vom Radverkehr befreien sollten. Dies war damals ein Novum, mittlerweile seien die Fahrradgaragen aber im Stadtbild integriert. Generell sei es aber schwierig, Multimodalität und historische Strukturen in Einklang zu bringen, denn die Umsteigepunkte des öffentlichen Verkehrs genügten nur selten einem gestalterischen Anspruch. Als positives Beispiel ließe sich hier laut Prof. Kloos die Stadt Maastricht nennen. Die Stadt fahre verfolge einen konsequenten Ansatz, um das historische Erbe mit den neuen Anforderungen an den Verkehrsraum in Einklang zu bringen. So würden etwa Fahrräder, die außerhalb dafür genehmigter Flächen abgestellt werden, von der Polizei entfernt.
Neuaufteilung von Verkehrsflächen schafft Konflikte
Als Fazit wurde festhalten, dass der steigende Flächenbedarf durch Multimodalität – denn zusätzliche Mobilitätsangebote benötigen zusätzlichen Platz – verschiedene Konflikte mit sich bringt. Bezogen auf die Elektromobilität könne dies etwa bedeuten, dass Ladeinfrastruktur nicht ausschließlich im öffentlichen Raum gebaut werden sollte, da so sonst die Dominanz des motorisierten Individualverkehrs verfestigt werde. Und mit Blick auf den Radverkehr gelte es zu berücksichtigen, dass die Neuaufteilung von Verkehrsflächen wahrscheinlich keine Reduktion des Flächenbedarfs erzielt, sondern Nutzungskonflikte – etwa mit Fußgängerinnen und Fußgängern – schaffen könnte.
Podiumsdiskussion zur Umsetzung der Verkehrswende
In der anschließenden virtuellen Podiumsdiskussion sprachen Prof. Dr. Martina Lohmeier, Professorin für Mobilitätsmanagement und Radverkehr an der Hochschule RheinMain, Sascha Müller, Stadtplanungsamt – Abt. Verkehrswesen der Landeshauptstadt Mainz und Martin Horsten, Stadtkonservator / Leiter der Denkmalschutzbehörde der Landeshauptstadt Wiesbaden über die praktische Umsetzung der Verkehrswende im Hinblick auf Denkmalschutz. Sie sprachen gemeinsam mit Prof. Bruns und Prof. Kloos über Car-Sharing, Elektromobilität und Parkraumbewirtschaftung. Als Fazit der Diskussion hielt Prof. Bruns fest, dass vor der eigentlichen Verkehrswende ein gesellschaftlicher Konsens darüber notwendig sei, wie der öffentliche Raum künftig genutzt und wie Mobilität allgemein gestaltet werden solle.