Park-Raum vs. Lebens-Raum – neue Lösungen für ein altes Problem?
Allen Rufen nach einer Verkehrswende zum Trotz steigt in Deutschland der Pkw-Bestand. Immer mehr, immer größere und immer schwerere Autos nehmen in den Städten immer mehr Raum ein und den übrigen Nutzergruppen weg. Vielerorts scheint mittlerweile aber die Akzeptanzgrenze erreicht und überschritten: Etliche Städte, darunter auch Wiesbaden, suchen nach Möglichkeiten, mit einem systematischen Parkraummanagement den ruhenden Verkehr zu steuern und einer gerechteren Nutzung der öffentlichen Flächen wieder näher zu kommen. Die Vortags- und Diskussionsreihe „Mobilität im Wandel“ von IMPACT RheinMain ist am Mittwoch, den 18.05.2022, unter der Überschrift „Park-Raum vs. Lebens-Raum – neue Lösungen für ein altes Problem?“ diesem Thema nachgegangen.
Zunächst begrüßte Prof. Dr. Volker Blees, Professor für Verkehrswesen an der Hochschule RheinMain, die fast 80 interessierten Teilnehmer:innen der Online-Veranstaltung sowie die beiden Referenten: Wolfgang Aichinger (Agora Verkehrswende) und Hendrik Schmitt-Nagel (Stadt Freiburg).
Umparken – mit Parkraummanagement zu lebenswerteren Städten
Den Auftakt machte Wolfgang Aichinger von der Agora Verkehrswende. Er beleuchtete generalistisch die Probleme des Parkens und gab einen Überblick über die Handlungsstrategien des Parkraummanagements.
Der Kfz-Verkehr nimmt viele Flächen im öffentlichen Verkehrsraum ein. Durch die Flächendominanz des MIV werden falsche Anreize bezüglich der Verkehrsmittelnutzung gesetzt. Viele kurze Wege werden mit dem Pkw zurückgelegt, welches auf gesellschaftliche Normen, Parkplatzverfügbarkeit sowie eventuelle Zeit- und Sicherheitsvorteile zurückzuführen sein könnte. Einher mit der Debatte um das Parkraummanagement geht die der Gestaltung von öffentlichen Räumen. Städte wie Siegen, Gießen oder Mannheim haben es gewagt, Flächen des ruhenden Verkehrs zurückzubauen, Zufahrtsrechte für Straßen einzuschränken und somit die Erreichbarkeit und Aufenthaltsqualität neu zu definieren.
Darüber hinaus sind Parkgebühren wichtige Stellschraube des Parkraummanagements. In der Vergangenheit wurden die Preise für das Kurzzeit- und Bewohnerparken kaum bis gar nicht erhöht. Beim Bewohnerparken gibt es erst seit kurzer Zeit die Möglichkeit für Kommunen, eigenständig die Preispolitik zu gestalten. Im Kontrast hierzu stehen die regelmäßigen Preiserhöhungen im ÖPNV. Folglich empfiehlt Agora Verkehrswende die Anpassung der Parkgebühren an entsprechende verkehrliche Zielsetzungen.
Derzeit sind Parkhäuser nur unzureichend ausgelastet. Kommunen könnten den öffentlichen Verkehrsraum zugunsten einer höheren Auslastung der Parkhäuser entlasten.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Parkraumüberwachung. Viele Städte verfügen nicht über die personellen Kapazitäten eine vollständige und permanente Überwachung des Parkraums zu leisten. Digitale Unterstützung kann hierbei Abhilfe schaffen, die Parkraumüberwachung auszuweiten und effizienter zu gestalten. In Ländern wie den Niederlanden, Belgien, Polen und Österreich gehört dies bereits heute zur gängigen Praxis. In Deutschland forcieren die Berliner Stadtteile Friedrichshain und Kreuzberg eine Einführung. Für Agora Verkehrswende ist die digitale Parkraumüberwachung ein Schlüsselelement. Dabei geht der Thinktank davon aus, dass die Einführung rechtlich gesehen kein Problem darstellen sollte.
Zum Schluss betont Herr Aichinger die Umsetzung von verkehrspolitischen Maßnahmen im Bündel mit weiteren Push- und Pull-Maßnahmen. Nur mit einem Gesamtkonzept sind verkehrliche Ziele zu erreichen. Ein zentraler Baustein ist hier das Parkraummanagement.
Erfahrungen, Hürden und Erfolge bei der Umsetzung von Parkraummanagement
Der zweite Teil der Veranstaltung war ein Dialog zwischen Prof. Dr. Volker Blees und Hendrik Schmitt-Nagel von der Stadt Freiburg. Anlass für die Stadt Freiburg, sich systematisch mit dem Thema Parkraummanagement auseinanderzusetzen, war die Aufhebung der Obergrenze für die Gebühr zum Bewohnerparken. Seit Anfang April liegt der Preis für einen Bewohnerparkausweis bei 360 bis 480 € pro Jahr, je nach Größe des Fahrzeugs. Allein von der Preisanpassung verspricht sich Herr Schmitt-Nagel jedoch keinen großen Effekt für die Verkehrswende. Grund dafür sind die hohen Betriebskosten eines Pkw, sodass die Kosten für den Bewohnerparkausweis zu vernachlässigen seien.
Bezüglich der Verlagerung des ruhenden Verkehrs in Quartiersgaragen und Parkhäuser machte Herr Schmitt-Nagel deutlich, dass es in Freiburg nur wenige Quartiersgaragen in Wohngebieten gäbe und Parkhäuser im Innenstadtbereich auf den Besucherverkehr ausgerichtet sind. Eine räumliche Verlagerung des ruhenden Verkehrs in Parkhäuser ist somit nicht ohne Weiteres möglich.
Darüber hinaus geht die Stadt Freiburg davon aus, dass nur wenige Bürger:innen trotz der Preiserhöhung auf den Bewohnerparkausweis verzichten werden. Der Großteil wird sich laut Schmitt-Nagel schlichtweg gezwungen sehen, den neuen Preis für das Bewohnerparken zu akzeptieren. Aus Sicht der Stadt Freiburg ist der Aspekt der räumlichen Ausweitung der Gebiete für das Bewohnerparken von größerer Bedeutung als ausschließlich dessen Preis. Jedoch hat die Stadt noch keine Erfahrung bezüglich der Akzeptanz des Bewohnerparkens sammeln können, sodass hier weiterhin abzuwarten ist.
Herr Blees weist darauf hin, dass das Bewohnerparken an bestimmte Bedingungen geknüpft ist und fragt wie weit die Stadt Freiburg bei der Ausweitung der Bewohnerparkgebiete und deren Überwachung gekommen ist.
Die Stadt Freiburg ist derzeit dabei, ein Klima-Mobilitätsplan aufzustellen. Für Bewohnerparkregelungen muss ein erhöhter Parkdruck nachgewiesen werden können. Zudem müssen immer Parkautomaten aufgestellt werden, welches zu hohen Betreibungskosten führt. Auch der Ausschluss von Besucherparken zugunsten des Bewohnerparkens in ausgewählten Straßenabschnitten ist nicht erlaubt. Es müsse immer ein gewisser Teil für Besucherverkehre vorgehalten werden. Herr Schmitt-Nagel beschreibt das Instrumentarium Bewohnerparken als kompliziert und unattraktiv.
Auf die Frage nach dem Umgang mit ordnungswidrig geparkten Pkws antwortet Herr Schmitt-Nagel, dass die Stadt versucht, dem mit Fingerspitzengefühl nachzugehen und mit der Ordnung der Flächen für den ruhenden Verkehr entgegenzuwirken. Jedoch sei dies sehr aufwendig und brauche Zeit. Als gutes Praxisbeispiel hebt Herr Blees die Stadt Karlsruhe vor.
Generell verfolgt die Stadt Freiburg keiner übergeordneten Strategie. Ein Parkraumkonzept gibt es auch nicht, da das bisherige Vorgehen breit von der Politik getragen wird. Auch eine Evaluierung der neuen Preispolitik bei den Bewohnerparkausweisen ist nicht geplant. Die Stadt Freiburg versucht mit weiteren Push- und Pull-Maßnahmen Anreize für die Verkehrswende zu schaffen. Hierzu zählen beispielsweise Park+Ride oder die Ausweitung des Carsharing- und Bikesharingangebots. Darüber hinaus sieht er Gewerbegebiete als Wachstumsherde für den MIV. Hier besteht zukünftig großer Handlungsbedarf.