WOHN-VISIONEN #3: Die gesunde Stadt
In der dritten Veranstaltung der Reihe WOHN-VISIONEN, diskutierten am gestrigen Dienstag, 28. Januar 2020, vier Expertinnen die Idee einer gesunden Stadt. Die sehr gut besuchte Veranstaltung hatte folgende zentrale Fragestellung: Wie entwickeln wir Städte, die gesund für Mensch und Umwelt sind? Der Fokus lag hierbei auf den Gegebenheiten, die zur Realisierung der Idee durch eine urbane Infrastruktur vorhanden sein müssen. Sind Grünflächen und Stadtbegrünung, das Angebot einer Ernährung durch regionale Produkte und die Möglichkeit für ausreichend Bewegung ausreichend? Begrüßung und Einführung oblag der Moderatorin des Abends, der Studiendekanin des Fachbereichs Sozialwesen, Prof. Dr. Kathrin Witek.
Wiesbadener Modell einer sektorenübergreifenden Quartiersversorgung
Die Hausärztin Dr. Susanne Springborn berichtete als erste Referentin über die Tätigkeit des Projektes „CURANDUM“, dessen Mitbegründerin sie 2017 war. CURANDUM ist ein Netzwerk zur Gesundheitsversorgung für mehr als 20.000 Bürger im Osten Wiesbadens, die im Stadtgebiet von einer immensen medizinischen Unterversorgung betroffen waren. Das Netzwerk aus Hausärzten, Pflegediensten, Apotheken und weiteren Akteuren fängt dies auf, im Austausch und in Kooperation mit der Kommunalpolitik. Der Fokus des Projektes, das seit Anfang des Jahres durch das Hessische Ministerium für Soziales und Integration gefördert wird, liegt auf einer nachhaltigen Gesundheitsversorgung, die immer den Menschen in den Mittelpunkt stellt.
Urban Gardening und Umweltgerechtigkeit
Die Soziologin Dr. Christa Müller referierte über Urban Gardening als neue urbane Gartenbewegung, als Umweltbewegung neuen Typus, die nicht nur für das Klima wichtig, sondern auch für die psychische Gesundheit der Stadtbevölkerung förderlich ist. Gemeinsamkeit aller über 700 in Deutschland bereits existierender Projekte ist, dass das Handeln nicht marktorientiert, sondern substanzorientiert ist. In dem in der Stadt konsumfreie Räume des Selbermachens entstehen, wachsen durch die gemeinsame Interaktion neue nachbarschaftliche Beziehungen und Gemeinschaften – über soziale Milieus hinweg – und geben so neue Impulse für das Selbstverständnis von der modernen Gesellschaft in der Stadt.
Lebenswerte Freiräume im Quartier
Die dritte Referentin des Abends, Prof. Dr. Constanze A. Petrow, Hochschule Geisenheim, berichtete aus der Praxis auf der Suche nach Qualitätskriterien für die Frage, wann ein „Freiraum“ gut und gesund ist. Hierfür teilte sie Erkenntnisse aus einer von ihr durchgeführten Studie zur Wirkungsforschung, in der Grünflächen in München und Zürich qualitativ evaluiert wurden. Ihre zentrale Erkenntnis dabei war, dass es neben einer abwechslungsreichen und ansprechenden Grünraumgestaltung den Nutzern besonders wichtig ist, dass die Nutzungsangebote untereinander in Beziehung stehen. Dass also beispielsweise am Spielplatz unmittelbar für die Eltern ausreichend Sitzgelegenheiten vorhanden sind. In der Studie zeigte sich auch, dass planerische und entwurfliche Entscheidungen oft ein vermeintlich ästhetisches Erscheinungsbild über die sinnvolle Nutzbarkeit stellen.
Gesunde Stadt – Gesundheitsstadt
Als vierte Referentin zeigte Dr. Ute Knippenberger, Stadtplanungsamt Landeshauptstadt Wiesbaden, in ihrem Beitrag die Maßstäbe der Stadt Wiesbaden auf, wo die Stadt handlungsfähig ist und wo darin die Grenzen liegen. Nach einem historischen Rückblick über die Entwicklung der Kurstadt ging sie auf die Zieldimensionen für die gesunde Stadt von heute ein. Dazu gehören aus ihrer Sicht neben großflächiger Landschaftsplanung auch Aspekte wie eine gut erreichbare Naherholung, emissionsarme Mobilität, soziale Stabilität und die gute Versorgung in den einzelnen Quartieren. Mit Blick auf das historische Erbe der Kurstadt sollte dies weiterhin gepflegt und weitergetragen werden. Als zentrale Herausforderung für die Stadtentwicklung und Planung für Wiesbaden betonte sie den Mischcharakter der „Stadt“: Wiesbaden besteht sowohl aus urbanem Zentrum, als auch aus ländlich geprägten Vororten – beide Segmente haben unterschiedliche Herausforderungen und Bedarfe.