WOHN-VISIONEN #9: Gemeinschaftlich Wohnen in Wiesbaden
Der ONLINE-INFOTAG & -DIALOG „Gemeinschaftlich Wohnen in Wiesbaden“ der Koordinierungsstelle für Wohninitiativen und Baugemeinschaften, der VHS Wiesbaden, des Stadtplanungsamts der Landeshauptstadt Wiesbaden, der GWW und des Projekts IMPACT RheinMain der Hochschule RheinMain erfreute sich großen Zuspruchs. Über 80 interessierte Bürger:innen nutzten am vergangenen Samstag, 29. Mai 2021, die Gelegenheit, sich online über bestehende und neue Wohn-Projekte in Wiesbaden zu informieren, mit Vertreter:innen der Stadt auszutauschen und untereinander zu vernetzen.
Nachhaltige Antworten auf neue Erfordernisse am Wohnungsmarkt
Dr. Annika Klein, VHS Wiesbaden, begrüßte die Teilnehmer:innen und wies auf die sich anschließende Fortbildungsreihe „Gemeinschaftlich Wohnen in Wiesbaden“ hin, die ab 12. Juni 2021 unter anderem mit Experten der Hochschule kostenlos angeboten werde.
Christoph Manjura, Stadtrat und Dezernent für Soziales, war erfreut über die große Resonanz, die als Ergebnis einer erfolgreichen Vernetzungsarbeit der beteiligten Akteure mit der Zivilgesellschaft gewertet werden könne. Der Wunsch nach mehr gemeinschaftlichen Wohnmöglichkeiten sei mittlerweile Konsens, was auch die Veränderung hin zu mehr 1-2 Personenhaushalten in der Gesellschaft begünstige, die sich Gemeinschaft wünschten. Manjura begrüßte diese Entwicklung und mache sich auch weiterhin für gute Rahmenbedingungen stark.
Auch Camillo Huber-Braun, Amtsleiter des Stadtplanungsamtes, betonte die Bedeutung des gemeinschaftlichen Wohnens für Wiesbaden, das eine sozial und ökologisch nachhaltige Antwort auf neue Erfordernisse am Wohnungsmarkt brauche: weg von Renditen hin zu lebendigen Quartieren, oder mit Worten von Hannah Arendt ausgedrückt, die er zitierte: „Wenn Menschen zusammenkommen, muss man mit Wundern rechnen!“ Auch in Wiesbaden sollen ab Sommer „Wunder“ möglich und erste Grundstücke in Bierstadt-Nord zur Konzeptvergabe freigegeben werden. Amtsleiter Huber-Braun lud Interessierte ein, sich bei diesem und zukünftigen Konzeptverfahren zu bewerben.
Bewusste Entscheidung für gemeinschaftliches Wohnen notwendig
Prof. Dr. Michael May, Studiengangsleiter MAPS-Sozialraumentwicklung und Leiter von QUALITÄT IMPACT an der Hochschule RheinMain, stellte unterschiedliche Formen gemeinschaftlichen Wohnens in seinem Kurzvortrag vor, wobei er die Freiwilligkeit und die bewusste Entscheidung für ein Projekt als wichtige Merkmale hervorhob. Prof. Dr. May unterschied zwei Erklärungsmodelle. Zum einen beschreibt die Internationale Bauausstellung Berlin sechs wesentliche Merkmale für gemeinschaftliche Wohnprojekte, mit deren Hilfe das breite Spektrum von Wohn-, Bau- und Rechtsformen identifiziert und beschrieben werden kann. Gruppen gemeinschaftlichen Wohnens fänden sich aus unterschiedlicher Motivation zusammen: Wahlmöglichkeiten am Wohnungsmarkt, Zweckbündnisse, weil andere Alternativen noch schlechtere seien (zu teuer, Hilfebedürftigkeit) oder individuelle Wohnlösungen.
Zum anderen stellte Prof. Dr. May mit den drei Facetten gemeinschaftlichen Wohnen von Silvia Beck eine abweichende Perspektive auf Gemeinschaftswohnen vor. Die instrumentalisierte Vergemeinschaftung beinhalte zum Beispiel Konzepte, die Top-Down organisiert werden würden. Die gelebte Sozialutopie sei das Gegenteil: Sie entwickele die gemeinsame Idee in einem gemeinschaftlichen Prozess und beinhalte basisdemokratische Strukturen – zum Beispiel in einer Genossenschaft. Beispiel sei auch das Wohnen in „Commons“ wie dem Miethäuser-Syndikat, das die am weitestgehende Form gemeinschaftlichen Wohnens darstelle, bei der dem (spekulativen) Markt Wohnraum entzogen werden soll.
Der Weg zum Wohnprojekt
Heidi Diemer, die den Infotag moderierte, stellte in Ihrer Funktion als Koordinierungsstelle für Wohninitiativen und Baugemeinschaften sieben Schritte auf dem Weg zum Wohnprojekt vor und leitete damit den zweiten Teil der Veranstaltung ein, in dem sich etablierte und neue Wohnprojekte unterschiedlicher Organisationsformen dem Onlinepublikum präsentierten und ihre Erfahrungen, Ziele und Bedarfe teilten. Die entstehenden Projekte warben um neue Mitstreiter:innen und suchten teilweise noch nach Grundstücken oder Objekten. Die vom Stadtplanungsamt ab Juli in Aussicht gestellte Konzeptvergabe machte diesbezüglich Hoffnungen.
Anschließend hatten die Bürger:innen die Möglichkeit, den einzelnen Wohnprojekten in virtuellen Räumen persönlich zu begegnen und ihre Fragen loszuwerden. Weitere Informationen zum Konzeptverfahren soll es am 17. Juni 2021 im Rahmen einer EXPERTENWERK.STADT geben. Für diese können Sie sich hier anmelden.